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BLM, George Floyd und struktureller Rassismus

Artikel von unserer Redakteurin Isabel


Im Sommer letzten Jahres gab es weltweit Proteste gegen strukturellen Rassismus und Polizeigewalt. Als Auslöser gilt die Ermordung des unbewaffneten Afro-Amerikaners George Floyd, der durch das Knie des Polizisten Derek Chauvin, welches dieser minutenlang auf den Hals Floyds gedrückt hat, umgekommen ist. Vor einer Woche wurde Chauvin wegen Mordes schuldig gesprochen; das Strafmaß wird am 16. Juni verkündet.


Die Organisation BlackLivesMatter (Schwarze Leben zählen) wurde ursprünglich 2013 gegründet, hat aber erst mit den Protesten im Sommer 2020 weitreichende Bekanntheit erreicht. Zudem wurde das Hashtag #blacklivesmatter in den sozialen Netzwerken sehr populär. Seit ihrer Gründung kämpft sie gegen strukturellen bzw. institutionellen Rassismus und Polizeigewalt, insbesondere gegenüber schwarzen Amerikaner*innen.

Schon seit Jahrzehnten erleiden Minderheiten in den USA strukturelle Nachteile, insbesondere die afro-amerikanische Gemeinschaft. Auch nachdem Sklaverei abgeschafft wurde und durch das Civil Rights Movement, mithilfe vieler wie z.B. Martin Luther King, das Leben der Schwarzen in den Staaten erheblich verbessert wurde, existieren noch heute Systeme und Strukturen in Institutionen, die sie benachteiligen. Beispiele dafür sind „red lining“, was die systematische Benachteiligung von Minderheiten bei Wohnungssuche und Kreditvergabe ist, „racial profiling“, was Minderheiten unter Generalverdacht stellt und dazu führt, dass sie öfters von der Polizei angehalten werden, und die im Vergleich hohe Wahrscheinlichkeit für Afro-Amerikaner*innen, einen Polizeieinsatz nicht zu überleben.


Der Begriff „red lining“ kommt daher, dass seit den 30ern und insbesondere in den 60ern auf Karten Viertel und Nachbarschaften mit afro-amerikanischer Mehrheit mit roten Stiften eingekreist und so als „riskant“ eingestuft wurden. In diese Gemeinschaften wurde dann nicht investiert und es war für deren Bewohner schwieriger bis nahe zu unmöglich, Kredite zu erhalten und/oder als Anwärter für Häuser/Wohnungen in mehrheitlich weißen Gegenden akzeptiert zu werden. Daraus resultierte, dass es insbesondere in Städten eine deutliche Spaltung von Viertel/Nachbarschaften basierend auf der Hautfarbe der Bewohner gab.

Obwohl „red lining“ in den 70ern rechtlich verboten wurde, sind die Konsequenzen bis heute deutlich spürbar. Beispielhaft sieht man dies daran, dass in mehrheitlich schwarzen Nachbarschaften, aufgrund von mangelnden Krediten, ein niedriger Lebensstandard vorliegt, was sich in einer um 3,6 Jahren geringeren Lebenserwartung zeigt. Darüber hinaus ist es heute noch verhältnismäßig schwierig für Afro-Amerikaner*innen, Kredite zu erhalten, was darauf zurückschließen lässt, dass durch „red lining“ schwarze Gemeinschaften arm gehalten wurden und somit bei heutigen Kreditvergaben, die sich an Einkommen und Wert des eigenen Hauses/Grundstück orientieren, deutlich schlechtere Chancen haben.


Unter „racial profiling“ versteht man die im Vergleich hohe Wahrscheinlichkeit für Afro-Amerikaner*innen oder Latinos, von der Polizei bei Verkehrskontrollen oder auf der Straße angehalten und/oder durchsucht zu werden. Dies geschieht meist aus Vorurteilen und rassistischen Stereotypen heraus, die nicht nur unbegründet sind, sondern auch ein schlechtes Verhältnis zwischen Minderheiten und der Polizei schaffen. Obwohl diese Methode der polizeilichen Diskriminierung gesetzlich verboten ist, gibt es täglich tausende von Schwarzen und Latinos, die ihr ausgesetzt sind und sogar auf der Straße angehalten werden oder in Geschäften von Sicherheitskräften verfolgt werden.

Aufgrund dieser täglichen Diskriminierung ist bei den Minderheiten, insbesondere bei Afro-Amerikaner*innen, ein hohes Maß an Frustration und Wut entstanden, welches sich teils auch bei den oben genannten Protesten entladen hat. Jedoch ist zu beachten, dass es große Unterschiede hinsichtlich der Motivation hinter „racial profiling“ gibt, die je nach Minderheit variiert. Bei Latinos sind die Wurzeln der Diskriminierung einerseits im rassistischen Vorurteil, dass alle Latinos illegale Migranten aus Mexiko oder Südamerika seien, und andererseits im ebenfalls rassistischen Vorurteil, dass alle Latinos in irgendeiner Weise im Drogenhandel tätig seien, verankert. Letzteres ist aufgrund der Erfahrungen der US-Behörden im „War on Drugs“ (Kampagne der US-Regierung, den illegalen Drogenhandel in den USA zu bekämpfen) entstanden. Bei Afro-Amerikaner*innen basieren die Vorurteile, die als Motivation für „racial profiling“ genutzt werden, auf jahrhundertelanger Unterdrückung und der Stilisierung Schwarzer als „gefährlich“ und „kriminell“.


Das letzte und wichtigste Beispiel für die systematische Benachteiligung der afro-amerikanischen Bevölkerung in den Staaten ist die Rate an Afro-Amerikanern*innen, die in Polizeieinsätzen ums Leben kommen. Statistisch gesehen starben im Jahr 2019 30 Afro-Amerikaner*innen aus einer Million durch Polizeigewalt. Auch bei Latinos liegt dieser Wert im Jahr 2019 mit 23 aus einer Million im Vergleich zu 12 aus einer Million bei Weißen deutlich höher.


Dies hat mehrere Gründe, wie zum Beispiel gesellschaftlich verankerte rassistische Vorurteile, die die Polizisten*innen von sich aus schon haben oder im Laufe ihrer Karriere aufgreifen und eine erhöhte Gewaltbereitschaft bzw. teils fehlende Hemmungen der Polizist*innen. Falls Polizisten*innen bereits diese Vorurteile mit sich tragen, ist es deutlich wahrscheinlicher, dass sie bewusst oder unbewusst „racial profiling“ anwenden werden. Dadurch erhöhen sich die Interaktionen zwischen Afro-Amerikaner*innen und Polizisten*innen, was, selbst bei einer nicht proportional höheren Wahrscheinlichkeit, diese Interaktion nicht zu überleben, zu mehr tödlichen Ausgängen führen würde. Selbst wenn Polizist*innen diese Vorurteile nicht bereits von sich aus mitbringen, ist es oft der Fall, dass sie diese im Dienst aufgreifen, da sie öfter Interaktionen mit Afro-Amerikaner*innen auf Basis von Drogen- oder Waffendelikten haben.


Die Tatsache, dass sie öfter diese Art Interaktion haben, hängt daran, dass in den schwarz geprägten Nachbarschaften eine höhere Armutsrate vorliegt (teils wegen „red lining“) und es dementsprechend dort mehr Delikte gibt, die soziologisch mit Armut verknüpf sind. Dementsprechend reagieren sie bei Interaktionen mit Afro-Amerikaner*innen aggressiver und sind eher dazu bereit, ihre Waffe zu zücken.

Der Fehler liegt aber darin, dass aus diesen Erfahrungen rassistische Stereotype entstehen, die sich auf eine gesamte Bevölkerungsgruppe auswirken. Davon abgesehen sollte kein „kleines“ Delikt dafür ausreichen, einen Menschen zu erschießen. Dennoch führen die zuvor genannten und viele weitere Faktoren dazu, dass täglich Afro-Amerikaner*innen ihren Alltag bewältigen müssen mit dem Gefühl, nicht sicher vor dem Arm des Staates zu sein, der sie eigentlich beschützen sollte. Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt, welcher auch sehr von der BLM-Organisation angeprangert wird, ist, dass, wenn es tatsächlich dazu kommt, dass ein/e Afro-Amerikaner*in in einem Polizeieinsatz umkommt, es meistens sehr schwierig ist, die Verantwortlichen vor Gericht zu stellen. Dies erweckt den Eindruck, dass die Handlungen von Polizist*innen frei von jeglichen Konsequenzen sind, was im Umkehrschluss auch dazu führt, dass Polizist*innen weniger Hemmung haben, gewalttätig zu werden und ein nicht notwendig hohes Maß an Gewalt anwenden, da sie sich keine ernsthaften Gedanken um die Konsequenzen ihrer Taten machen müssen.


Ein Unterschied, dessen man sich bei den oben genannten Beispielen bewusst sein sollte, ist, dass es einen Unterschied zwischen strukturellem Rassismus und institutionellem Rassismus gibt. „Red lining“ beispielsweise fällt unter strukturellen Rassismus, da es ökonomische Strukturen sind/waren, die zur Ausgrenzung einer Bevölkerungsgruppe geführt haben. Die anderen zwei Beispiele fallen unter institutionellen Rassismus, da die Diskriminierung von staatlichen Organen ausgeht (Polizei).


Aufgrund all dieser Beispiele für strukturellen, institutionellen und alltäglichen Rassismus ist die schwarze Bevölkerung der Staaten wütend, was meiner Meinung nach auch gerechtfertigt ist. Darüber hinaus ist der gesellschaftliche Diskurs über diese dringenden Probleme stark polarisiert und meist noch durch mangelndes Verständnis erschwert. Deshalb ist die Verurteilung von Derek Chauvin der Beweis dafür, dass das judikative System der USA in der Lage ist, Polizisten*innen zu verurteilen und nicht mehr den Eindruck zu erwecken, sie ständen über dem Gesetz.


Dennoch sind sich viele bewusst, dass dies nur ein kleiner Schritt hin zu einer gerechteren Gesellschaft ist, was durch die Ermordung eines weiteren unbewaffneten Schwarzen (Daunte Wright), nur 16 km von dem Gerichtsgebäude, in dem der Floyd-Prozess stattfand, verdeutlicht wurde. Durch die Ermordung Daute Wrights ist wieder einmal klar, dass, auch wenn die Verurteilung Chauvins ein Hoffnungsschimmer ist, der Weg zu einer gerechteren Gesellschaft lange und steinig ist.



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